Ein Tag ohne Licht. Durch die verhängten Fenster schien nicht wie sonst ein matter Schimmer des schwachen Sonnenlichtes um diese Jahreszeit. Die ersten Minuten des Morgens vergingen, und ich knurrte in die Küche um Kaffee aufzusetzen. Als ich gerade die Kanne auf den Herd stellte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel etwas, vielleicht sollte ich besser sagen - nichts. Jegliches Fehlen von Licht, alles umhüllende Finsternis schloss sich um mein kleines Haus. Weder das fahle Leuchten des Mondes, noch das schwache Glitzern der Sterne drangen zu meinen Augen  herein. Ich machte das Licht in der Küche wieder aus, um besser hinausschauen zu können. Verdammt, mein erster Verdacht, dass es vielleicht doch noch Nacht sein könnte bestätigte sich leider nicht. Dort war nichts, absolut nichts.

Es war mir sogar unmöglich den Rosenstock vor dem Fenster zu erkennen. Mir gingen die wirrsten Vermutungen im Kopf herum. So ziemlich alles kommt in Frage, dachte ich: Ist so der Tod, oder einfach nur ein Meteorit abgestürzt, vielleicht aber ..., so ein Quatsch, man, es ist dunkel, ich kann NICHTS sehen. Und ich sage allen, die es hören wollen, das NICHTS zu sehen ist ekelerregend. Vor diesem Fenster könnte so ziemlich alles sein was das menschliche Vorstellungsvermögen zu leisten imstande ist. Ich wollte gar nicht erst anfangen zu spekulieren was passiert war oder was sich vor meinem Fenster befinden könnte. Das Gas funktionierte. Der Kaffee kochte. Ich trank, wie immer die erste Tasse in einem Zug aus. Irgendwo im Flurschrank lag doch immer diese große Taschenlampe, ohne wollte ich nicht in diese seltsame Finsternis. meer

 

Ein befremdendes Gefühl seine Haustür zu öffnen und vor einer undurchdringlichen Wand aus Nichts zu stehen. Ich schaltete die Außenbeleuchtung an, nichts, auch die Taschenlampe ergoss ihr Licht lediglich in ihre Fassung. Ich nahm einen Schuh der neben mir stand und warf ihn in die Dunkelheit. Pok. Er landete auf irgendetwas, immerhin, wenigstens hatte das Nichts einen Boden. Am erstaunlichsten fand ich jedoch die Tatsache, dass es im innern des Hauses Licht gab. Wieso war es hier hell? Warum beschränkte sich die Abstinenz der Helligkeit nur um das Haus, wieso machte es vor meiner Haustür halt? Als mich die ersten Schauer überliefen, und ich gerade vorhatte hinauszugehen, um die Reaktion auf meinen Körper zu ergründen, hatte ich eine bessere Idee. Vorsichtig hob ich den Hörer und wählte die Nummer von Aldous. Aldous, ein alter Freund, wohnte nur die Strasse herunter und müsste eigentlich noch zu Hause sein. Nichts.

Die Leitung war tot. „Scheiße, was soll das hier alles“, schrie ich den Flur entlang.

Mit ein paar Sachen im Rucksack, die mir irgendwie wichtig erschienen, trat ich vorsichtig aus der Tür und tastete mit dem Fuß nach festem Boden. Dieser befand sich auch dort wo er hätte sein sollen. Der Weg zur Strasse verlief mehr oder weniger geradeaus. Nach einigen Metern hatte ich wenigstens den Mut zurückgefunden aufrecht zu gehen. Langsam geradezu bedächtig schritt ich die kurze Strecke zu meinem Gartentor. Das kam jedoch nicht. Gut, dachte ich mir, gehst ja auch echt lahmarschig. Doch nach etlichen Minuten langsamen Gehens, ohne überraschende Zwischenfälle oder plötzlicher Stürze ins bodenlose blieb ich verwundert stehen. Ach du Scheiße. Sieht man überhaupt noch das Haus noch, fuhr es mir durch den Kopf. Ich drehte mich abrupt um und sah... NICHTS. Spitze und jetzt?

 Man, was für ein Superplan irgendwo herumzuirren, ohne die leiseste Ahnung wo und wohin. Ich beschloss erst einmal den Weg zurück zu finden. Schreiend und brüllend versuchte ich mich zu orientieren, aber mein Rufen verhallte in der Dunkelheit. Shit, womit habe ich das verdient, es muss doch eine Möglichkeit geben in dieser trüben allesverschlingenden Suppe einen Anhaltspunkt auszumachen. HaHa - es war mir nicht einmal vergönnt meine  Nasenspitze geschweige denn meine Hand vor Augen zu sehen.

Jetzt fiel mir auf, dass sich in dieser schattenhaften Umgebung nicht ein Lüftchen bewegte. Nicht mal meinen Atem vermochte ich wahrzunehmen. Ich konnte pusten und blasen soviel ich wollte, nichts. Während ich etwas teilnahmslos in der Gegend herumstolperte und über diese seltsame Situation nachdachte prallte ich mit, etwas zusammen. Etwas weiches und nachgiebiges berührte mich und als ich gerade danach greifen wollte war es schon wieder verschwunden. Intuitiv fing ich an zu rennen, in panischer Angst, die plötzlich in mir hochstieg, lief ich in die Dunkelheit. Zu meiner großen Überraschung schlug ich mit dem Kopf vor einen harten Gegenstand, es fühlte sich an wie Holz. Holz, dachte ich und tastete mich an dem Hindernis entlang und gelangte schließlich zu einer Art Eingang.

Das muss eine Tür sein, ich hätte laut jauchzen können! Ich fummelte daran herum und suchte die Klinke. Am Türknauf erkannte ich, dass es sich um meine eigene Haustür handeln musste, und versuchte sie zu öffnen. Vergebens. Nein. Meine Schlüssel, wie blöd kann man eigentlich sein, dachte ich mir. Mit etwas Anlauf schmiss ich mich ihr entgegen und hörte weder etwas krachen noch splittern. Lediglich meine Schulter spürte ich sehr deutlich. Nach einigen Anläufen gelang es mir die Tür aufzubrechen, und ich stürzte mit einigem Elan in den Flur und riss dabei gleich noch meinen Schuhschrank um. So zwischen meinen Schuhen liegend, entdeckte ich auch das Paar Wildlederschuhe, dass ich Tagelang vergeblich gesucht hatte. Typisch, wenn man etwas gerade nicht braucht ..., verärgert warf ich einen Schuh gegen die Flurwand. Nachdem ich mich aufgerichtet hatte, setzte mein Gehirn wieder ein. Trotz mangelhafter Durchblutung und fast schon chronischer Verwirrung gelang es mir, einige Gedanken zu formulieren. Aber anstatt etwas konstruktives zu ersinnen, ging mir nur völliger Müll im Kopf herum. Plötzlich schien von draußen Lärm hineinzudringen, laute knarrende Geräusche wabberten wie durch einen dichten Nebel an mein Ohr. Ich sprang auf und lief vor die Tür, die Töne verzerrten sich zunehmend wurden aber nicht lauter. „Was soll das hier alles, verarschen kann ich mich auch selber... elenden scheiß Wichser.“

Ein bisschen desillusioniert versuchte ich den Weg zurück zu finden. Obwohl ich die Haustür nicht geschlossen hatte, war es wieder Stockdunkel, es gelang mir allerdings erneut nach einigem herum Irren das Haus  zu finden. Ich tastete mich wieder die Hauswand entlang  und gelangte schließlich zu meinem Eingang und stellte mit Erstaunen fest, dass dieser noch offen war aber kein Licht heraus drang. Alles klar, dachte ich mir, heute kannst du die Arbeit aufgrund widriger Umstände tatsächlich mal vergessen. Hätte mir jemand etwas von widrigen Umständen erzählt, wäre ich nie auf eine so total absurde Situation gekommen. Vielleicht bin ich auch einfach nur durchgeknallt. Es ist ja nun nicht so, dass ich ein Kind von Traurigkeit bin.

Aber ich fühle mich den Gegebenheiten entsprechend ziemlich klar, na ja eventuell fühlt man sich selber auch noch gesund, und nur die Umwelt kann nichts mehr mit einem anfangen. Ach Blödsinn, was hier passiert entbehrt einfach nur jeder Logik, auch wenn das Unmögliche nach Ausschluss aller möglicher Fakten nun mal das einzig in Frage kommende sein kann. Eine wirklich beschissene Sache wäre natürlich, wenn das verkackte Institut irgendein Versuch mit mir durchführt und ich bis oben hin voll mit miesen Drogen bin. Wer weiß, Agent Cooper hat letzte Woche etwas von  einer neuen internen Versuchsreihe erzählt, irgendwie so was Matrix mäßiges. Wenn dem so sein sollte mache ich mich einfach locker und warte ab was sich sonst  noch so ereignet. Kein guter Entschluss, Untätigkeit war noch nie eine meiner Stärken. Ich muss der Sache nachgehen und ich weiß auch schon wie. Zunächst wäre es nicht schlecht zu wissen, ob ich schlafe, halluziniere oder tatsächlich wach bin. Um dieses herauszufinden bedarf es einiger Tests, mir gefiel zwar der Gedanke nicht besonders, aber die beste Möglichkeit ist sicher - ahhh, ich rammte mir den Korkenzieher in den Unterarm. Ein Schwall Blut sickerte durch mein Hemd und fing an auf den Boden zu tropfen. Eine rote Lache bildete sich unter mir und meine Schuhe erhielten einige unschöne Sprenkel. Naja, ich weiß zwar immer noch nicht in welchem Zustand geistigen Bewusstseins ich mich befinde aber bluten kann ich wie ein angestochenes Schwein. Ich lief ins Bad und ließ den Korkenzieher fallen, um mir einen Druckverband anzulegen. Danach wischte ich die Pfütze im Flur weg und setzte mich ins Wohnzimmer. Nach dem bisherigen Verlauf der Dinge ist es wahrscheinlich am sichersten, ich bleibe einfach hier sitzen. Ich steckte mir eine Zigarette an und holte den Korkenzieher aus dem Flur, öffnete eine Flasche Cabernet Sauvignon .

Nach dem dritten Glas hatte ich mich zusehends entspannt. Was soll`s, am besten ich vertrödele meine Zeit bis ich aus diesem kranken Alptraum erwache oder die Drogen aufhören zu wirken. Seltsam, aber gerade jetzt fiel mir der letzte Sommer mit Hannah ein. Gefühle zwischen einer hysterischen Melancholie, in der man sich im Leid suhlend, jauchzend auf jedes bisschen nostalgische Verklärtheit stürzt. Alleine und eben doch nicht, ungefähr so wie momentan in meinem halluzinogenen was-auch-immer-Wahn. Hätte ich Hannah meine Gefühle deutlicher zu spüren gegeben, alles wäre anders gekommen, jaja hätte-hätte-Damentoilette. Es ist immer alles anders, aber ich meine den Ausgang unseres Urlaubs. Die ganze Zeit über war ich mir sicher, wir hätten einen wunderschönen Urlaub, doch irgendwie fand dieser nur in meinem Kopf statt. Die Gefühle, die ich ihr vermeintlich zukommen lies, erreichten sie nicht. Die meiste Zeit verbrachte ich mit eigenen Problemen und wollte sie damit nicht zusätzlich belasten. Aber wie sooft ... Patang ..., irgend etwas schlug auf dem Dach auf. Jedenfalls klang es so. Fast im selben Moment, ich wollte gerade aufstehen, um nachzusehen was es gewesen sein könnte, riss mich eine unglaubliche Kraft zu Boden.  Zzzswutsch!!!  Wie eine Art Folie löste sich in Sekundenbruchteilen meine Haut vom Kopf, ich schrie so laut, dass mein Trommelfell davon platzte. Sofort, meinem Empfinden nach noch schneller, schoss überall Blut herum. Mein Kopf spritzte in sich, aus meinen Ohren rann Blut in einem feinen Rinnsaal meinen Hals herunter und verschwand unter meinem Hemd. Höchstens noch Sekunden, dann erlöst dich die Ohnmacht, denn diese skurrilen Schmerzen waren nicht nur zu spüren, nein, sie schrieen auch hässliche Sachen durch meinen Kopf.

Ich blickte an mir herab, BLUT, ach du Scheiße, bevor ich Ohnmächtig bin, ist eh kein Tropfen mehr übrig. Unter mir hatte sich schon eine Pfütze gebildet in der sich mein rotes  fleischig-zerfetztes Antlitz spiegelte.

 

Die ersehnte Umnachtung blieb aus. Stattdessen kam ich zu mir. Anscheinend lag ich auf einem Canapé, einige Menschen standen um mich herum und schienen zu applaudieren. „Na, ganz ruhig liegen bleiben. Sie stehen noch unter Einfluss eines starken Beruhigungsmittels, aber die Wirkung lässt gleich nach.“ Während ein Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte, sich zu mir herunter beugte, löste sich die kleine Gruppe auf und verschwand im hinteren Teil des Raumes. Nach etwa fünf Minuten kam ich zu mir und konnte mich aufrichten. Mein Hals war furchtbar trocken, so trocken, dass es höllisch weh tat meine Zunge vom Gaumen zu lösen. „Mein Hals“, krächzte ich an den Mann mit dem sonderbaren Gesichtsausdruck gewandt, der mir am nächsten stand. Er drehte sich zu mir um und ich konnte sehen, dass eine Narbe den rechten Mundwinkel bis kurz unter die Augenhöhle angehoben hatte. „Moment“,  stieß er zurück und ging zu einem kleinen Tisch, um aus einer Karaffe Wasser in ein Glas zu schütten. Mit zitternden Händen griff ich danach. Kaum berührte die kalte und anschmiegsame Flüssigkeit mein Fleisch als sich auch schon meine Zunge löste. „Ahhh“, entfuhr es mir. Erstaunlicherweise kam ich sofort zu Kräften und fühlte kaum noch etwas von den Muskelkrämpfen, die mich wohl die letzte Zeit geschüttelt hatten. Später habe ich erfahren, dass fast ein ganzer Tag vergangen war während ich unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln und einer nicht näher spezifizierten Droge stand. Das einzige, das ich in Erfahrung bringen konnte war, dass es sich um ein starkes Halluzinogen handelte. Das kuriose daran ist allerdings, dass sich die Trugbilder gezielt manipulieren und steuern lassen.

 

Ich möchte eigentlich nicht näher darüber reden, denn dieses Erlebnis sorgte dafür, dass ich nie mehr auch nur eine Nacht ohne Alpträume blieb. Kurze Zeit später wurde ich aus dem aktiven Dienst entlassen und mit einer neuen Identität in der nähe von Pittsburgh angesiedelt. Verflucht, manchmal während einer dieser langen Nächte, wenn ich in meinem hell erleuchteten Haus sitze, wünsche ich mir, ich wäre damals wirklich gestorben oder hätte wenigstens die Verantwortlichen einen nach dem anderen bis oben hin vollgepumpt mit ihrer Scheiße.

 

 

Herr S. dessen handschriftlichen Aufzeichnungen in seinem Nachlass gefunden wurden, lag mit abgezogener Gesichtshaut und einem Schuss durch den geöffneten Mund inmitten seines zerstörten Wohnzimmers. Da hohe Mengen eines starken Schmerz- und Beruhigungsmittel in seiner Blutbahn gefunden wurden, ist davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt seines Todes nicht bei sinnen war. Ein Abschiedsbrief wurde nie gefunden.

 

On this page, god himself will summon letters and form words on it. And afterwhile they maybe become a text, like this one beneath.

... sorry but this is a german plattform and so you will find only sometimes english texts ... watch out..

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